Berliner bAV-Auftakt 2024: Die Zukunft der bAV im Dialog
Einleitung
Bereits zum achten Mal fand am 01.02.2024 der „Berliner bAV-Auftakt“ unter der Leitung des Verfassers statt, eine eintägige Konferenz wichtiger Vertreter der Politik, der Sozialpartner, der Unternehmen, der Versorgungsträger und weiterer Stakeholder der bAV.[1]
Über 150 persönlich geladene Teilnehmer diskutierten auch dieses Mal wieder über aktuelle Fragen und Entwicklungen der bAV. Die Referenten waren in diesem Jahr:
- Peter Görgen, Leiter des Referats Zusätzliche Altersvorsorge,Bundesministerium für Arbeit und Soziales
- Marco Herrmann, Vorstand, BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes
- Jochen Homburg, Referent Tarifpolitik, Vorstand IG Metall
- Tanja Machalet, MdB, Fraktion der SPD, Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales
- Stephanie Rachor, Vorsitzende Richterin des 3. Senats, Bundesarbeitsgericht
- Jana Schimke, MdB, Fraktion der CDU/CSU, Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales
- Anja Schulz, MdB, Fraktion der FDP, Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales
- Karsten Tacke, Hauptgeschäftsführer, Pfalzmetall
- Dr. Mathias Ulbrich, LL.M., HS Schmalkalden, Fakultät für Wirtschaftsrecht
- Marius Wenning, Referent,Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Das große Ganze und das BRSG II
Im Fokus des diesjährigen Berliner bAV-Auftakts standen zunächst die Diskussionen zu den Reformplänen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (nachfolgend: BMAS) für ein Betriebsrentenstärkungsgesetz II.[1] Dabei wurde deutlich, dass einige Verbesserungen im Bereich der Reinen Beitragszusage (Sozialpartnermodell) geplant sind, bspw. Erleichterungen beim Einschlägigkeitserfordernis gem. in § 24 BetrAVG, sowie im Arbeitsrecht der „herkömmlichen“ bAV, wie die Öffnung von Optionsmodellen gemäß § 20 Abs. 2 BetrAVG für rein betriebliche Lösungen. Auch mögliche gesetzliche Regelungen zu erforderlichen Mindestgarantien für Beitragszusagen mit Mindestleistung und beitragsorientierten Leistungszusagen wurden intensiv diskutiert, wobei allerdings klar wurde, dass das BMAS insoweit keine Neuerungen plant.
Im Bereich des Aufsichtsrechts jedoch fasst das BMAS wesentliche Erleichterungen für Pensionskassen und Pensionsfonds bei den Bedeckungsvorschriften und der Kapitalanlage ins Auge. Ein steuerlicher Diskussionspunkt war u. a. die Dynamisierung der Grenze für die Geringverdienerförderung in § 100 BetrAVG.
Aufsichtsrechtlicher Rahmen der RBZ
Mit Blick auf die gewünschte weitere Verbreitung der SPM wurden auch aufsichtsrechtliche Fragen diskutiert. Insbesondere die Rolle der Tarifvertragsparteien im aufsichtsrechtlichen „Genehmigungsprozess“ wurde dabei beleuchtet. Es wurde deutlich, dass aus Sicht der BaFin für die Vorstellungen der Sozialpartner in der Regel aufsichtsrechtliche Lösungen gefunden werden, wobei Kommunikation der aller Beteiligten untereinander essenziell ist.
Blick in den Maschinenraum von SPM Nr. 3
Dazu passend ermöglichte die Tagung Einblicke in die Funktionsweise des über den BVV-Pensionsfonds (BVV-PF) durchgeführten SPM. Damit können bislang unversorgte Arbeitnehmer erreicht werden, ohne in Konkurrenz zu bereits bestehenden Zusagen zu treten, wobei verschiedene Chancen-Risiko-Profile eine differenzierte Ausgestaltung ermöglichen. Bemerkenswert ist weiterhin, dass die nach § 21 Abs. 1 BetrAVG erforderliche Beteiligung der Tarifvertragsparteien an der Durchführung und Steuerung des SPM durch einen Sozialpartnerbeirat umgesetzt wird.
IG Metall und SPM
Aufschlussreich war auch der Bericht über die Entscheidungen des IG-Metall-Gewerkschaftstags, die Errichtung eines SPM zunächst nicht weiterzuverfolgen. Der Grund hierfür liegt in einer grundlegenden Skepsis gegenüber den Kapitalmärkten. Allerdings zeigte sich im Verlaufe des bAV-Auftakts auch, dass die als Alternative dazu ins Auge gefassten freiwillige Zahlungen in die GRV skeptisch zu sehen sind. Im Ergebnis steht aber auch die IG-Metall weiterhin zur bAV und ist von ihrer Sinnhaftigkeit überzeugt.
Pfalzmetall und SPM
Insoweit bestand Konsens mit der Arbeitgeberseite, die die Wichtigkeit der Lebensstandardsicherung über eine kapitalgedeckte bAV betonte. Dabei erscheinen SPM als ideale Möglichkeit, eine Balance zwischen Anlagechancen und Sicherheit zu erzeugen und gleichzeitig die Arbeitgeberhaftung zu minimieren. Allerdings leben SPM auch von großen Kollektiven und sind aus Sicht der Arbeitgeber grundsätzlich Non-Profit-Einrichtungen zu betrachten.
Einig im Ziel, aber unterschiedliche Wege
Aufschlussreich war auch die Diskussion mit den Vertreterinnen der Bundestags-Fraktionen von SPD, FDP und CDU Zwar waren sie sich einig, dass die bAV eine essenzielle Rolle in der Altersvorsorge spielen muss. Die Ansichten, wie ihr Verbreitung weiter gefördert werden kann, differierten jedoch.
Nach Ansicht der SPD müssen tarifliche Lösungen eine entscheidende Rolle spielen, auch in Form von SPM. Der insoweit weiterverbreiteten Skepsis sollte mit Information und Beratung begegnet werden.
Dem stimmt auch die FDP zu, wenngleich sich das Konzept von SPM erst noch beweisen muss. Wichtig sind aber auch Verbesserungen der „herkömmlichen“ bAV (bspw. § 100 EStG, Rechtssicherheit bei Garantiehöhen). Das sieht auch die CDU so und weist darüber hinaus auch auf den Abbau bürokratischer Hindernisse hin und auf das Erfordernis einer erleichterten Anwendbarkeit von SPM. Ein weiterer Ansatz könnte es aus Sicht der CDU sein, § 100 EStG zu einer obligatorischen Altersvorsorge auszubauen.
Überblick über die aktuelle Rechtsprechung des BAG
Abgerundet wurde der diesjährige Berliner bAV-Auftakt durch eine interessante Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung des 3. Senats des BAG so beispielsweise zu:
- Bündelung von Prüfungsterminen und Berechnungsdurchgriff bei isoliertem Gewinnabführungsvertrag im Rahmen des § 16 Abs. 1 BetrAVG, BAG vom 15.11.2022 – 3 AZR 505/ 21
- Einseitige Ersetzungsbefugnis des Arbeitgebers, BAG vom 17.1.2023– 3 AZR 501/21
- Umstellung auf Kapitalleistung im Zuge einer Ablösung, BAG vom 20. 6. 2023 – 3 AZR 231/22
- Teilzeitbeschäftigung und endgehaltsbezogene Zusagen, BAG vom 20.6.2023 – 3 AZR 221/22
- Betriebsübergang und endgehaltsbezogene Zusagen, BAG vom 9.5.2023 – 3 AZR 174/22
- Ausscheideklauseln in Zusagen auf Invaliditätsversorgung, BAG vom 10. 10. 2023 – 3 AZR 250/22.
[1] Siehe für einen ausführlichen Bericht auch mit Blick auf die von den verschiedenen Stakeholdern vertretenen Positionen: Ulbrich, Pensions.Industries, https://pensions.industries/von-revolutionen-und-halb-so-wilden/ und https://pensions.industries/von-geburtshelfern-und-keinen-staatsfonds/
[2] Die nachfolgende Wiedergabe der während der Diskussionen geäußerten Meinungen erfolgt ausschließlich im Indikativ.